Ein Sandhügel in der Wüste

In mitten der Wüste, auf einem der vielen, leicht rötlich schimmernden Sandhügeln, unter abertausenden von Sandkörnern, liegt das eine, einzigartige, besondere Sandkorn. So als habe der Wind es hierher geweht. Durch einen Hauch eines Windstosses sanft auf diesen Hügel getragen, landet zur selben Zeit eine Wüstenwanderin. Mit funkelnden Augen, zwei Sternen gleich, schaut sie konzentriert in die weite Ferne. Unter ihrem linken Arm ein Buch eingeklemmt, eingewickelt in einem weissen Seidentuch. Das ist alles was BATYAH, so ist ihr Name, bei sich trägt. In der Absicht, einen etwas kühlen Platz zu erhalten, schaufelt BATYAH mit der freien Hand einen kleinen Graben und setzt sich hinein. Wie an allen anderen Tagen ist es erneut sehr heiss. Die sengende Nachmittagssonne sticht über ihren bereits braungebrannten und überhitzten Körper.

 

Ein weiteres Mal wartet sie sehnsüchtig auf den Moment, bis die Sonne am Horizont für ein paar Stunden verschwindet. Natürlich im Wissen, dass die Nächte in der Wüste sehr kalt werden. Behutsam packt sie ihr Buch aus dem Tuch und legt es in den Schoss. Ein ganz besonderes Exemplar konnte sie aus einem alten, morschen und verstaubten Bücherregal ergattern. Ein gold verzierter Schriftzug, eingraviert auf der königsblauen Buchhülle, lässt es sehr edel aussehen. Mit leicht sandigen Händen schlägt sie wahllos, aber vorsichtig eine Seite auf und liest eine niedergeschriebene Zeile: 

«Hitze und Sonnenglut treffen sie nicht.....»

 

BatYAH erhebt ihren Kopf und schaut zum staubig, gelblich gefärbten Himmel. Sie sieht eine grosse, weisse Wolke, welche die ansonsten eher dunstige, unklare Himmelsatmosphäre durchbricht. Umgeben von einem durchsichtig, leicht gefärbten Regenbogen, der die Wolke wie eine Brautschleife immer näher heranzieht, bis sie direkt über ihrem Sitzplatz, dem einen Sandhügel, stillhält. Von diesem Tag an, ist die Wolke nie mehr von ihr gewichen. Wandert BATYAH zu einem nächsten Sandhügel weiter, zieht die Wolke mit ihr. Am Tag spendet sie den nötigen Schatten damit die Sonne sie nicht verbrennt. Bei Nacht dehnt sich das Wolkengewölbe wie ein Zeltdach über sie aus und umhüllt ihre Schultern mit einem dicken geschmeidigen Daunenmantel. So fühlt sich BATYAH vor der nächtlichen Kälte, aber auch vor den Schlangen und Skorpionen beschützt. Manchmal spürt sie eine sanfte Brise, die auf sie herabweht. Es fühlt sich an wie ein Hauch eines Atemzuges, der ganz zart über ihrer Stirn vorbeistreift. Erfrischt, ermutigt und bestärkt beginnt ein neuer Tag auf der Wüstenwanderung.

 

Es gibt Zeiten da ist es völlig windstill, sehr ruhig und friedlich. Oftmals stellt sich aber heraus, dass es sich um eine Ruhe vor dem nächsten Sturm handelt. Ihre Erfahrungen lehrten sie, lieber mit einem Auge wachsam zu bleiben. Es gibt viele kleinere und grössere Sandhügel. Es scheint, als sei die Wüste endlos weit und ebenso breit. Wie viele Sandhügel liegen noch vor ihr, welche sie überwinden muss bis das fruchtbare Land sich zeigt? 

 

Noch immer in Gedanken versunken lässt eine Windböe Batyah aufschrecken. Von hinten bläst ein immer heisser werdender Wind, dessen Windstösse an ihren Rücken klopfen. «Was bahnt sich hier wohl an? Sicher nichts Gutes, wenn es aus der Richtung von Ägypten kommt.» Sie legt sich das Seidentuch über den Kopf und bindet es fest. «Ob das etwas nützt?» Manchmal zieht der Sturm ja an ihr vorüber und es bekümmert sie nicht gross. Es bleiben nur unnötige Sandkörner am Rücken festgeklebt. «Was, wenn sich aber ein richtiger Sandsturm aufbläht? Man weiss im Vornherein nie so genau wie stark er sich entwickelt. Eben einmal weniger und ein andermal heftiger.» BATYAH versucht die Ohren zuzuhalten und schliesst die Augen, damit die Sandkörner nicht ihre Sicht verkleben oder gar verblenden. Diese Windböen sind dann so laut wie verschiedene Stimmen, in unterschiedlichen Tonlagen, welche ihr um die Ohren brausen. Als wären es voll bepackte Karawanen, unterwegs mit ihren Gütern, in der Absicht ihre Angebote anzupreisen. «Der Ruf der Ägypter?» «Oh, nein nicht schon wieder!» Es gelingt ihr nicht immer die Ohren solange zuzuhalten bis der Sturm vorübergezogen und ihre Stimmen in der Weite verstummen. Dreht sie sich währenddessen um, besteht keine Chance mehr ihre Augen vor dem aufgewühlten Sand zu schützen. Manchmal, für eine gewisse Zeit, bleibt sie sicht- und orientierungslos. Läuft im Kreis herum bis sie sich wieder erholt hat. Dann setzt BATYAH sich auf einen neuen Sandhügel, reibt die Sandkörner aus dem Gesicht, in der Hoffnung den nächsten Sturm frühzeitiger zu erkennen. 

 

«Bin ich denn ganz alleine da draussen in der Wüste? Warum hört mich denn niemand!» Sicher sitzen auch andere Gleichgesinnte auf Sandhügeln. Wüstenwanderer wie sie, unterwegs in dieselbe Richtung. Irgendwo da draussen. Ein wenig weiter vorne oder noch ein paar Hügel hinter ihr. Unterwegs im eigenen Tempo. 

 

Zwischendurch erlebt BATYAH flüchtige Begegnungen. Darunter sind auch bekannte Gesichter. Sie kommen entgegen und rennen an ihr vorbei. «Nein, sie haben sich nicht verirrt. Sie haben sich bewusst entschieden zurück nach Ägypten zu fliehen.» Sehr schnell und zielbewusst unterwegs, getrieben vom aufgewirbelten Sandsturm, bewegt er sie in diese Richtung, als ziehe er sie mit in ihren Bann. Es ist nicht möglich sie von ihrem Vorhaben aufzuhalten. «Der Ruf der Ägypter! Sie sind ihnen nicht entkommen. Nun folgen sie ihren Stimmen. Man kann nur hoffen, dass sie unterwegs noch einmal an einem Sandhügel vorbeigehen, stehen bleiben und sich besinnen. Sind sie einmal in Ägypten angekommen und durch ihre Handelstore eingegangen, schnappt hinter ihnen die Türe zu und verschliesst sich, mit einem eisernen, schweren Riegel. Der Ruf der Ägypter wird immer lauter, die Stimme aus der Wüste immer wie leiser, bis sie ganz im Staube verweht.» 

 

«Kann das gleiche Übel jeden treffen? Was muss man tun, um dem Ruf der Ägypter zu widerstehen, oder gar zu entfliehen?» 

 

«Die Ägypter rufen dich von hinten. Die Stimme in der Wüste ruft dich von vorne. Never look back! Schaue niemals zurück! Dreh Dich niemals um! Bleib auf dem Sandhügel, unter der Wolke. Du wirst von stürmischen Wüstenzeiten nicht verschont bleiben, aber trotzdem bist du unter YAHs direktem Schutz. Sein Wort und Seine Verheissungen sind der Kompass auf der Durchreise durch die Wüstenwanderung. Du wirst das Ziel nicht verfehlen.»

 

Die Stimme in der Wüste, der Vater selbst, feuert dich an: 

 «Halte durch! Noch eine kleine Weile, bald hast Du das Ziel erreicht. Auch wenn es sich so anfühlt, als seist Du da draussen in der Wüste ganz alleine. Du bist nie alleine unterwegs. 

Jede Spur im Sand, von einem Hügel zum nächsten, bestärkt Dich, auf meinen Händen habe ich Dich getragen. Den Staub von Deinen Füssen gewischt. Über Dir gewacht bei Tag und bei Nacht. 

Halte durch! Noch eine kleine Weile, bald hast Du das Ziel erreicht. Auf Dich wartet ein Siegeskranz. Eine einzigartige Krone. 

Jeden Sandhügel, den Du überwunden hast, wird umgewandelt zu einem Diamanten. 

Fein geschliffen in Deine Krone eingeflochten.»

 

Sie leiden weder Hunger noch Durst, Hitze und Sonnenglut treffen sie nicht. Denn der sich ihrer erbarmt, leitet sie und führt sie zu sprudelnden Quellen. 

Jesaja 49, 10

 

ER ist dein Schatten über Deiner rechten Hand, damit dich weder am Tag die Sonne sticht, noch der Mond des Nachts.

 Psalm 121,

 

Batyah und Benyah sind hebräische Namen und heissen  wortwörtlich übersetzt:

«Tochter YAHs» oder «Sohn YAHs

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